Psalm 139, 16: „Als ich gerade erst entstand, hast du mich schon gesehen. Alle Tage meines Lebens hast du in dein Buch geschrieben – noch bevor einer von ihnen begann!“ —-
Bei einem Spaziergang am schönen Tegernsee fiel uns ein altes Bauernhaus auf, mit holzverkleideter Fassade und kunstvoll bemalt. Von seiner Pracht schien jedoch nicht mehr viel übrig zu sein. Die Fensterscheiben waren blind, das Holz spröde, die Türen hingen schief in den Angeln. Ob das wieder eines der Anwesen war, das einer ganzen Großfamilie Raum geboten hatte, und am Ende wohnten dort nur noch die alten Eltern, die das Haus nicht mehr erhalten konnten? Tatsächlich: Da standen zwei Rollatoren, und auf der Bank vor dem Haus saß eine alte Bäuerin, die freundlich grüßte.
Trotzdem wirkte es von außen betrachtet ein wenig trostlos auf mich. Als wären hier zwei Menschen, für die das Leben immer gleichbleiben soll, immun gegen Veränderungen und Neuanfänge. Jahrzehnte am selben Platz, im gleichen Haus, mit denselben Menschen. Selbst wenn die Kraft nicht mehr reicht, man bleibt da, wo man immer war. Dabei gehören Veränderungen zum natürlichen Verlauf des Lebens: „Alles hat seine Zeit, und für jede Situation gibt es ein entsprechendes Verhalten.“ (Pred 8,6 Hfa) Der Beginn jedes Lebensabschnitts ist natürlicherweise mit einem bestimmten Einschnitt verbunden. Feste und Rituale helfen uns, in neue Lebensphasen einzutreten und vergangene abzuschließen.
Jeder neue Zeitabschnitt bietet eine neue Chance, neues Terrain, das es zu entdecken, neue Möglichkeiten, die es zu entwickeln gilt! Ich habe gerade meinen Ruhestand angetreten und bin gespannt, welche neuen Perspektiven er mir zeigen wird. Ja, man sollte auch merken, was nicht mehr geht, und rechtzeitig darüber nachdenken, welche Hilfen zur Verfügung stehen – und doch ist jede neue Herausforderung eine spannende Angelegenheit.
Veränderungen von Lebensumständen müssen uns keine Angst machen, denn es gibt eine Konstante, die uns durch unser ganzes Leben begleitet und alles überdauert. Wir sind geborgen in der Hand des Einen, der uns schon kannte, als wir noch gar nicht auf der Welt waren, der alle Tage unseres Lebens in sein Buch geschrieben hat, der ewige, allmächtige und barmherzige Gott!
Text: Heidemarie Klingeberg
© Advent-Verlag Lüneburg – mit freundlicher Genehmigung